“Anytime, Anything, Anywhere” – das Paradigma des digitalen Arbeitens und die romantische Vorstellung einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. Den Traum von Flexibilität und Ortsunabhängigkeit leben vor allem Freelancer. Während Sie auf den Philippinen auf die perfekte Welle warten, sitzen sie bequem in einem hippen Co-Working Space direkt am Strand und basteln an Software oder designen Websites. Auch junge Start-Ups, mit kleinen oder keinen Büros und wenigen Mitarbeitern, von denen jeder mehrere Rollen ausfüllen muss, profitieren stark von den Vorteilen der Flexibilität und halten so ihre Fixkosten möglichst gering.
Bei vielen etablierten Unternehmen jedoch, scheint das nicht zu funktionieren. Da wird aus „Anytime, Anything, Anywhere“ sehr oft „immer, überall und ständig“. Nach acht oder mehr Stunden im Büro kommt man gestresst nach Hause, nur um dort, nach einer kurzen Pause, den Laptop wieder aufzudrehen oder sich von Smartphone-Notifications terrorisieren zu lassen. Das Resultat: Stresskrankheiten, Produktivitätsverlust und im schlimmsten Falle: Burn-Out. Dabei gibt es auch in etablierten Unternehmen unzählige Mitarbeiter, die sich flexibles Arbeiten wünschen, ja sogar fordern. Und es ist nicht unmöglich, flexibles Arbeiten richtig umzusetzen.
Aus meiner Sicht gibt es drei grundlegende Faktoren, die zu berücksichtigen sind:
- Die
Unternehmenskultur: Kleinere Start-Ups haben möglicherweise - im Sinne der
Fixkostenoptimierung - immer schon „verteilt gearbeitet“. In kleinen Teams ist
meistens auch völlig transparent, wer seine Aufgaben erfüllt. Kontrollmechanismen
sind nicht notwendig. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit ist von Beginn an
Teil der Unternehmenskultur. In vielen etablierten Unternehmen hingegen wird
Produktivität immer noch mit der am Arbeitsplatz verbrachten Zeit gleichgesetzt.
Kontrollmechanismen wie Zeiterfassungssysteme tun ihr Übriges dazu. Zudem
arbeiten Menschen aus verschiedene Generationen im Unternehmen, die unter
Umständen eine unterschiedliche Auffassung von Arbeitsplatz, Prestige und Motivation
haben. Während für die Einen ein großes Büro im obersten Stockwerk die
ultimative Auszeichnung ist, ist es für andere entgegengebrachtes Vertrauen,
die ihnen output-orientiertes Arbeiten mit freier Zeiteinteilung ermöglichen.
Will man das neue Arbeiten wirklich vorantreiben, muss hier Aufklärungsarbeit geleistet
werden. Die Erwartungshaltung vom Unternehmen gegenüber seinen Mitarbeitern und
umgekehrt muss klar sein. Das hilft dann auch die Überarbeitung einzudämmen,
weil z.B. klar ist, dass nur weil man E-Mails jetzt jederzeit am Smartphone
lesen kann, es nicht gefordert wird, dass man dies nach einem langen Tag im
Büro abends auch tatsächlich noch tut.
- Technologien und
Prozesse: Junge Start-Ups ohne Infrastruktur können nach Bedarf aus einer Vielzahl
von As-a-Service-Angeboten wählen und basteln sich so schnell und unkompliziert
eine auf ihre Arbeitsweise zugeschnittene Lösung zusammen. Da stellt eine über
Jahrzehnte gewachsene Infrastruktur von größeren Unternehmen eine ganz andere
Herausforderung dar. Hier gibt es Maschinen und Applikationen, die für den
Unternehmenserfolg kritisch sind. Ausfälle sind ein absolutes No-Go. Änderungen
in der Infrastruktur müssen lange geplant und sehr gut vorbereitet werden. Das
kostet Zeit und verzögert so möglicherweise die Implementierung notwendiger
Technologien für die Umsetzung neuer Geschäftstätigkeiten. Und wenn dann
vielleicht für das Geschäft notwendige Kommunikationsmedien nicht mehr ganz up
to date sind (der Klassiker: 10 MB Dateigrößenbeschränken bei E-Mail-Attachments)
helfen sich die User und Business Units selbst und führen Dropbox und WhatsApp
ein – einfach so. Autsch. Da kann eine duale Strategie helfen. Während man
Legacy-Applikationen stabil weiterbetreibt, wird die bestehende Infrastruktur
mit agilen Cloud-Diensten, wie UCaaS, SaaS und IaaS veredelt. Hybride
Architekturen setzten sich immer mehr durch und bringen die notwendige
Flexibilität.
- Unified Communication-Strategie: Das neue Arbeiten muss von Anfang an ganzheitlich betrachtet werden. Welche Jobs und welche Mitarbeiter profitieren davon? Welche kulturellen Änderungen müssen herbeigeführt werden? Welche Tools und Technologien bilden die notwendigen Prozesse ab, die die Zusammenarbeit und gewährleisten und am Ende des Tages die Produktivität steigern?
Und doch ist es oft eine ganzheitliche Strategie die fehlt! Dimension Data hat vor kurzem eine Studie in Auftrag gegeben bei der über 900 Unternehmen befragt wurden. Die Ergebnisse wurden im Connected Enterprise Report zusammengefasst (http://www.connectedenterprisereport.com/). Das Unglaubliche: 38% der befragten Unternehmen gaben an, keine definierte UC-Strategie zu haben. Das hat oft zur Folge, dass bestehende Systeme mit möglichst geringem Aufwand weiterbetrieben werden und – für das neue Arbeiten notwendige – Agilität und Anpassungsfähigkeit vermissen lassen.
Richtig eingesetzt bringt die Digitalisierung große Vorteile mit sich. Für Mitarbeiter ermöglicht sie eine bessere Work-Life-Balance, neu definierte Jobprofile und schnellere Entscheidungen. Für Unternehmen kann sie Fixkosten senken, den Go-to-Market beschleunigen und neue Geschäftsfelder eröffnen. Die Digitalisierung hat die Berufswelt schon verändert. Um davon zu profitieren, ist es an der Zeit, die eigenen Prozesse zu hinterfragen. Es wird sich lohnen.
Kommentar hinterlassen
Kommentare (1)
Harald Steindl -
23.05.2016 09:19:51
Volltreffer